Almanca Makaleler

 

 

Altenseelsorge İm İslam [1]

 

Prof. Dr. Ali Seyyar[2]

  

 Einleitung

Der Mensch begegnet solange er auf dieser Erde lebt mit vielen Hindernissen. Diese Hindenisse zu übwerwinden, ist Pflicht eines jeden Menschen. Denn nur so verstehen wir den eigentlichen Sinn des Lebens und nur durch solche körperlichen und geistigen Anstrengungen können wir glücklich werden. Unsere natürliche Veranlagung ermöglicht uns zudem weltliche Probleme jederart zu bewältigen. Der Koran weist das Durchsetzungsvermögen eines jeden Menschen mit den folgenden Worten: “In der Tat, wir haben den Menschen so erschaffen, dass dieser die (weltlichen) Schwierigkeiten (mit Geduld und Verantwortung) bewältigen kann.”[3]

Im allgemeinen schätzt der Mensch den Wert von etwas bekanntlich erst, wenn es abhanden gekommen ist. Dazu zählen das Alter und die damit verbundene gesundheitliche Situation älterer Menschen. Das Alter, das mit viel Last verbunden ist, gehört zur letzten Lebensphase eines jeden Menschen. Das Alter und die damit verbundene Pflegebedürftigkeitswahrscheinlichkeit sind Hinweise dafür, dass der Mensch in einem vergänglichen Leben mit Schwächen und Krankheiten erschaffen wurde. Gleichwohl sind diese Lebensrisiken eine gute Gelegenheit für den Menschen noch vor dem Altern und vor dem Kranksein, über den Lebensinhalt und Lebenssinn nachzusinnen. Die islamische Religion, mit ihren zahlreichen İnformationen und Empfehlungen über das geordnete Leben der Gesellschaft gibt auch eindeutige Hinweise hinsichtlich der Rechte und Pflichten älterer Menschen.

Der İslam bietet speziell für ältere Menschen und im allgemeinen für solche, die in jugendlicher und gesundheitlicher Arroganz die geistigen Realitäten und jenseitigen Verantwortungsgefühle verkennen, eine sinnstiftende Lebenshilfe und seelische Zuversicht. İn diesem Sinne wird unser Referat zunächst die Situation und den Schutz älterer Menschen gemäß dem heiligen Buch Koran und Sunna (Hinweise des Propheten Mohammed) hervorheben und seelsorgerische Hilfestellung für (pfegebedürftige) ältere Menschen geben.

 

1. Das Alter, Altern und Altersbedingte Pflegebedürftigkeit im Koran

Der Koran, bewertet das Alter, wie den Tod, als ein natürliches Phänomen des Lebens eines jeden Menschen. Darüberhinaus beschreibt der Koran vom Geburt bzw. vom Leben im Gebärmutter bis zum Tode die unterschiedlichen Lebensphasen des Menschen, die man solange man lebt normalerweise beschreitet. Die einzelnen Lebensphasen eines Menschen haben einen besonderen Stellenwert und Bedeutung sowohl für solche, die bereits in einem dieser Phasen sind als auch für diejenige, die diese noch erleben werden. Die gegenseitige soziale Verantwortung unterschiedlicher Altersgruppen muss hier ebenfalls betont werden. Der Koran, der diese komplexen sozialen Zusammenhänge schildert, gibt ein überschauliches Bild über die Lebensabläufe eines jeden Menschens innerhalb der Gesellschaft wie folgt:

“O ihr Menschen, wenn ihr im Zweifel seid über die (Wieder-) Auferstehung, so (bedenkt) daß Wir euch aus Erde erschaffen haben, dann aus einem Samentropfen, dann aus einem Blutgerinnsel, dann aus einem Klumpen Fleisch, teils geformt und teils ungeformt, auf daß Wir es euch deutlich machen. Und Wir lassen in den Mutterschößen ruhen, was Wir wollen, bis zu einer bestimmten Frist.

Dann bringen Wir euch als Kindchen (Baby) hervor; dann (ziehen Wir euch groß) bis ihr in den stärksten Lebensabschnitt (daß ihr eure Vollkraft) erreicht. Und mancher unter euch wird vorzeitig sterben (abberufen), und mancher unter euch wird zu einem hinfälligen Greisenalter zurückgeführt (und mancher unter euch wird im hohen Alter ein unproduktives-untaugliches Leben führen), so daß er, nach dem Wissen, nichts mehr weiß.

Und du siehst die Erde leblos, doch wenn Wir Regen über sie niedersenden, dann regt sie sich und schwillt und läßt alle Arten von entzückenden (Pflanzen) hervorsprießen.[4]

Der Mensch, der Veranlagungs orientiert aus Boden und Seele erschaffen wurde, wird laut Koran und gemäß der göttlichen Gesetze, die ihm vorbeschriebenen Lebensabschnitte, so Allah es will, nacheinander beschreiten. Der obere Koranvers, schildert punktuell und gezielt die einzelnen Epochen vor und nach der Geburt bis zu einem hohen Alter, indem der Menschenverstand an Intelligenzquotient abnimmt. Womöglich werden hier die altersbedingten Krankheiten und pflegebedürftige Fälle wie Alzheimer und Demenz angesprochen.

Diese Erläuterungen, zeigen zum einen die unumschränkte (Über-) Macht Allah’s, zum anderen die eigentlich absolute Hilfslosigkeit und Abhängigkeit des einzelnen Menschen im Sinne der unumgänglichen Unterwerfung gegenüber der natürlichen göttlichen Gesetze. Alles vollzieht sich sowohl im Rahmen der göttlichen Gewalt als auch des göttlichen Wissens.

Allein die weltlichen Lebensabschnitte zu beschreiben, sind, nach koranischen Auffassung, nicht ausreichend den eigentlichen Sinn und die sozialen Aufgaben des Lebens zu verstehen. Die unterschiedlichen physischen und seelischen Gegebenheiten und Umstände eines Menschen, der wohl oder übel zu einem der weltlichen Lebensabschnitte zügehörig ist, wird ohne Zweifel im Koran betont. Aber vergessen wir nicht, dass der Koran letzlich die nach dem Tode folgenden jenseitigen Lebensabschnitte auch deutlich hinweist. So wie die aufeinanderfolgenden weltlichen Lebensabschnitte eine biologische-soziale Realität bedeuten, so sind die für den Jenseits angesprochenen Hinweise eine ähnliche Realität.

Die sich im Ablauf immer wieder ändernden Umstände wie “Leben und Tod”, “Stark-kräftig sein und schwach werden”, “Wissen und nicht (mehr) wissen” oder “Weltliches und jenseitiges Leben” mögen paradox erscheinen aber in Wirklichkeit sind all diese angeblichen Gegensätze ein klares Zeichen göttlicher Kraft, die in einem anderen Koranvers wieder erwähnt wird:

“Allah hat euch erschaffen, dann läßt Er euch sterben; und es gibt manche unter euch, die ins hinfällige Greisenalter getrieben werden, so daß sie nichts wissen, nachdem (sie) doch Wissen (besessen hatten). Wahrlich (zweifellos), Allah ist allwissend, allmächtig.[5]

İn einem anderen Koranvers wird wieder auf diesen Umstand angesprochen:

 “Allah ist es, Der euch in Schwäche erschaffen hat, und nach der Schwäche gab Er Stärke. Dann wiederum, nach der Stärke, gab Er Schwäche und graues Haar (hohes Alter). Er schafft, was Er will. Und Er ist der Allwissende, der Allmächtige.” [6]

Und in einem anderen Koranvers lautet es:

“Und wem Wir (jemandem ein) langes Leben gewähren, dessen Entwicklung ändern wir um (den wandeln Wir um in der Schöpfung). Wollen sie denn nicht begreifen (über-denken-verstehen)? [7]

Obwohl der Mensch, dem Altern und somit dem Tode unterworfen ist, ist sein natürliches Anliegen in Gesundheit und Wohlstand zu leben. Noch mehr, im allgemeinen ist der Mensch geneigt, das weltliche Leben so lange wie möglich zu geniesen. Denn er liebt das Leben bzw. das Leben wurde ihm beliebt gemacht. Und deshalb möchte der Mensch, ein langes Leben führen. Der Koran mahnt jedoch in diesem Sinne ein spirituell zielloses Leben, das der jenseitigen Verantwortung nicht Rechnung trägt. Der folgende Koranvers deutet eindeutig darauf hin:

“Und unter allen Menschen wirst du (Muhammed) sie und einige Götzendiener gewiß am gierigsten nach Leben finden. Jeder einzelne von ihnen wünscht, es möchten ihm tausend Jahre Leben gewährt werden, allein selbst die Gewährung (solchen) Lebens hielte die Strafe nicht von ihm fern; und Allah sieht alles, was sie tun.”[8]

Es ist nicht unbedingt eine tolle Leistung alt zu werden. Aber auch der älternde und alt gewordene Mensch, wird vermutlich immer noch leben wollen. Je älter der Mensch wird, je mehr werden seine Wünsche und Anforderungen jugendlicher. Die wachsenden weltlichen Ansprüche sollten dem Menschen von seinen religiösen und sozialen Verantwortungen nicht abhalten. Der Prophet Muhammed weist diese Haltung älterer Menschen mit dem folgendem Zitat:

“Zwei Merkmale eines jeden älternden Menschens werden (immer) jünger: Die Neigung zur Materie (Materialismus) und zu einem langen Leben (Anti-Aging).”[9]

1.1. Priviligierte Stellung Älterer Menschen im Koran

Aufgrund der körperlichen Behinderungen oder chronischen Krankheiten gewährt der Koran älteren Menschen und den pfegebedürftigen Personen weltliche und religiöse Erleichterungen, die zu ihren Gunsten sind. Allah ist insbesondere zu solchen sehr gnädig, die in Not und Hilfe geraten. Ältere und Behinderte genießen deshalb ein besonderes Privileg. So sind sie in vielerlei Hinsicht von religiösen und sozialen Aufgaben im Rahmen ihres Behinderungsgrads befreit. Deshalb werden bstimmte soziale Gruppen wie alte Menschen, Kranke oder Behinderte besonders unter Schutz genommen. So vermittelt der Koran einen allgemeinen Grundsatz:

“Kein Vorwurf (Erschwernis) trifft den Blinden, noch trifft ein Vorwurf den Lahmen (Körperbehinderten), kein Vorwurf trifft auch den (kronisch) Kranken.”[10]

Hierzu ein praktisches Beispiel aus Lebzeiten des Propheten Mohammed. Aufgrund seiner Behinderung konnte İmrân b. Husayn, ein Gefährter des Propheten Mohammed, seine täglichen körperlichen Gebete nicht stehend und wie körperlich vorgeschrieben nicht ganz verrichten. Der Prophet empfahl ihm:

“Verrichte (zunächst) dein Gebet im Stehen, wenn aber du diese (Tätigkeit) dennoch nicht ausführen kannst so verrichte es im Sitzen, wenn du dazu immernoch keine Kraft findest so verrichte es im Liegen”. [11]

Das Fasten im Monat Ramadan z.B. ist eine religiöse Andacht, die den gesunden und kräftigen Muslimen auferlegt wird. Ältere und kranke Menschen demgegenüber sind nicht verpflichtet zu fasten. Als Gegenleistung sollten sie (falls sie materiell im Stande sind) für eine Armensteuer aufkommen.[12] Somit zählt das (hohe) Alter als eine Behinderung, die ein Grund für solche Erleichterungen sind.

 

2. Die Soziale Verantwortung der Gesellschaft (Familienangehörigen) gegenüber den (Pflegebedürftigen) Alten Menschen

Respekt, Hochachtung und Zuneigung gegenüber den alten Menschen, fängt mit der Liebe und Respekt gegenüber den Eltern an. Der Koran, betont die Wichtigkeit der sozialen Sicherheit und Schutz der alternden Eltern und gibt diesbezüglich mahnende Ratschläge:

 “Dein Herr hat strikt geboten: «Verehret keinen ausser Allah (Unterwerft Euch nur dem Schöpfer) und erweiset Euren Eltern Güte (und benehmt Euch gegenüber Euren Eltern gut).Wenn eines von ihnen oder beide bei dir ein hohes Alter erreichen, sage nie "Pfui!" (oder etwas ähnlich negatives) zu ihnen, und stoße sie nicht zurück, sondern sprich zu ihnen ein ehrerbietiges Wort. Und strecke deine Mitleidsflügel behutsam über sie aus und bete für sie wie folgt: ‘Mein Herr, erbarme Dich ihrer, so wie sie mich als kleines Kind betreuten’.” [13]

Wie oben eindeutig erwähnt wird, empfiehlt der Koran eine dauerhafte, aufrichtige, herzliche und gesunde Beziehung zu den Eltern bzw. alten Menschen. Deshalb ist es angebracht, eine Atmosphäre der guten Beziehungen innerhalb der Famile bzw. zwischen den Peflegebedürftigen alten Menschen und pflegenden Familienangehörigen herzustellen. Die geistige und soziale Verantwortung einer soliden Altenfürsorge innerhalb oder außerhalb der Familile obliegt demnach den jungen und gesunden Menschen. Ziel sollte es sein, den materiellen Schutz, die soziale und spirituelle Pflege sowie die innere Ruhe der älteren Menschen zu erfüllen.

Den älteren Menschen soziale Dienste zu leisten ist nach dem Koran oberste Priorität. Auch wenn die (andersgläubigen) Eltern die Bindung zu Allah unterbinden würden, ist dieser Umstand keineswegs ein Grund oder Anlass die sozialen Verpflichtungen gegenüber den Eltern zu vernachlässigen. Hierzu die klare koranische Ermahnung:

“Und Wir haben dem Menschen für seine Eltern ans Herz gelegt (Wir haben dem Menschen empfohlen gegenüber den Eltern sich gut zu verhalten)- seine Mutter trug ihn in Schwäche über Schwäche (im Gebearmutter), und seine Entwöhnung erfordert zwei Jahre. Unsere Empfehlung lautet demnach: Sei deshalb zunaechst Mir gegenüber und dann deinen Eltern gegenübeer dankbar. Zu Mir ist letzlich die Heimkehr. Nur wenn sie (deine Eltern) im Unwissen an einer Sache dich dazu zwingen neben mir andere Götter anzubieten so gehorche Ihnen nicht. Doch in weltlichen Dingen verkehre mit ihnen auf geziemende Weise. Folge den Weg, den die Menschen, die zu mir stehen und zu mich wenden, folgen. Letzendlich werdet ihr nur zu Mir zurückkehren, und Ich werde euch verkünden, was ihr (auf der Erde) getan habt. [14]

Die Altenseelsorge nach islamischer Auffasung ist demnach ohne ethnische oder religiöse Diskriminierung zu vollziehen. Gleich nach dem die Verpflichtungen gegenüber dem Schöpfer im Koran zitiert werden, werden die sozialen Aufgaben gegenüber den Eltern und den alten Menschen erwähnt. Die wetlichen Elternrechte und die des älteren Menschen kommen somit gleich nach den religiösen Gottesrechten.

Auch wenn unsere Eltern oder pflegebedürftigen alten Menschen anderer Religion oder (religiöser) Auffassung sind so sind wir dennoch verpflichtet ein gutes Verhältnis mit ihnen herzustellen und Gutes über sie zu wünschen. Der u.a. Koranvers, der auch eine göttliche Bitte darstellt, weist uns daraufhin:

“Oh mein Gott, (im Jenseits) am Tage unserer Rechenschaft erbarme mir, und verzeihe meine Mutter und meinen Vater, sowie alle (anderen) Menschen”. [15]

2.1. Seelsorgerische Empfehlungen des Propheten Mohammed

Die zweite Rechtsquelle des İslam nach dem Koran sind die Sprüche (Empfehlungen) und vorbildlichen Verhaltensweisen (Sunna) des Propheten Mohammed, der zu jederzeit (vor und nach dem Prohetentum) für die in der Gesellschaft lebenden Schwachen und Armen Hilfestellung gab. Für die älteren Menschen und Kranken sowie die für die Alten zuständigen Personen empfiehlt der Prohpet folgendes:

a) “Oh Ihr Diener Allah’s! Lasst euch (medizinisch) behandeln, denn Allah hat auf jeden fall für jede Krankheit eine Heilung erschaffen. Nur ein Kummer ist (in diesem Rahmen) eine Ausnahme, un dieser ist das Alter”.[16]

b) Ein Gefährter des Propheten namens Muaviye b. Cahime, wollte mit Zustimmung des Propheten in den Krieg ziehen. Als der Prophet erfuhr dass der Kriegswillige eine alte und pflegebedürftige Mutter hatte, gab er ihm folgenden Rat: “Gehorche meine Worte! Bleibe (so nah wie möglich) bei deiner Mutter. Denn dort ist der Himmel. Trenne dich nicht von deiner Mutter, denn der Himmel ist unter den Füssen der Mütter”.[17]

c) “Wenn ein Jugendlicher irgendeine alte Person aufgrund ihres Alters Respekt erweist, dann wird Allah solche Menschen erschaffen (hervorbringen), die ihm (im Alter) wiederum Hochachtung zeigen werden.”[18]

d) Wer (seinen) Kindern keine Zärtlichkeit erweist, älteren Menschen keine Ehre und Hochachtung zeigt gehört nicht zu uns (eurer Gemeinde).”[19]

e) Nimmt Hilfs-und Pflegebedürftige in Obhut. Denn nur aufgrund der Existenz von Hilfs-und Pflegebedürftigen wird euch Hilfe und Segen gewährt.”[20]

f) Gäbe es ältere Leute, deren Rücken vom Alter gebeugt sind, (sowie Säuglinge, die die Brust nehmen, als auch die weidenden Tiere) nicht so würde über euch großes Unglück strömen.[21]

Die Worte des Propheten Mohammed zeigen, dass gesunde Menschen die Verantwortung haben älteren Mitmenschen in Obhut zu nehmen und gegebenfalls zu pflegen. Andererseits ist das Alter eine zu akzeptierende soziale Realität. Der Prophet, der altersbedingte gesundheitliche Schmerzen und soziale Probleme am Besten kennt, benutzt in seinen Gebeten oftmals folgende Worte:

“Oh mein Gott; in Sachen Kraftlosigkeit, Hilfslosigkeit, Faulheit, Angst und Greisenalter flüchte ich mich zu dir und ersuche deinen Schutz”[22]

Mit diesen Worten können auch die heutigen alten Menschen von Gott Hilfe in Anspruch nehmen und mit Geduld und Ausdauer ihre Besorgnisse minimieren und ein angesehenes und glückliches Leben bis zum Tode führen. Der Prophet, möchte von uns dass wir von Gott Gesundheit und Wohlergehen erbitten denn “dem Menschen wurde nach dem Glauben nichts wertvolleres gegeben als die Gesundheit”.[23]

3. Algemeine Feststellungen und Empfehlungen zur İslamischen Altenseelsorge[24]

3.1. (Altersbedingte) Krankheit und Pflegebedürftigkeit sind eine Chance seelischer Rehabilitation

Ältere Menschen haben meistens mehr als eine (chronische) Krankheit, die manchmal neben körperlichen Schmerzen auch eine seelische Last bedeuten kann. Der Prophet empfiehlt hier allen alten Menschen, die in Not Schmerzen leiden, Glaube, Geduld und Lobpreisung. Denn nur so, werden die Sünden eines kranken alten Menschen beseitigt. Dazu der folgende Spruch des Propheten:

“Nichts trifft den Menschen an Schwäche, Krankheit, Sorge, Trauer, Schaden, nicht einmal die Dorne, die ihn sticht, ohne dass Gott ein Teil seiner Sünden damit sühnt.“[25]

Die altersbedingte Krankheit ist wie eine Seife, die die weltlichen Sünden reinigt. Es ist als würde man einen Baum mit reifen Früchten schütteln.[26] Krankheit schüttelt also die Sünden ab. Somit ist eine altersbedingte Krankheit sowie ein pfegebedürftiger Umstand in Wirklichkeit ein Mittel zur seelischen Rehabilitation auf der Erde und eine Chance „Früchte für das Jenseits“ zu sammeln bzw. ein Leben in der Ewigkeit zu erwirtschaften. Der von Krankheit und Pflegebebedürftigkeit betroffener Mensch, sollte im Bewusstsein seiner Grenzen und Schwächen zu seinem barmherzigen Schöpfer Zuflucht mehmen und aufrichtig beten. Die in Leid verbrachte Zeit, ohne dabei Gott anzuklagen, gilt als besonderes Gebet, wie ein Hadith besagt.[27] Und dieser Tatsache zufolge ist und bedeutet eine Minute in Krankheit und Pflegebedürftigkeit verbracht zu haben für manche geduldigen alten pflegebedürftigen Kranken eine Stunde, ja sogar ein Tag des Gebets. Daher sollte man eine chronische Krankheit oder eine Pflegebedürftigkeit nicht beklagen, sondern dankbar sein, da sie einem durch eine Minute zu tausend Minuten des Lebens verhilft.

 

3.2. (Altersbedingte) Krankheit und Pflegebedürftigkeit sind eine Chance Empathie und menschliches Mitgefühl zu erzeugen

(Altersbedingte) Krankheit und Pflegebedürftigkeit mahnt zu Respekt und Rücksicht, indem sie die Menschen von der zu Unbarmherzigkeit, Rohheit und Herzlosigkeit führenden Arroganz befreit. Der Egoismus, der meistens aus der Arroganz durch Reichtum, Gesundheit und Wohlbehagen kommt, reduziert menschliches Mitgefühl. Der folgende Koranvers deutet auf diese asoziale Einstellung hin:

“Zweifellos, der Mensch, der sich fern von der (Pflege-) Bedürftigkeit sieht, wird unversehens maßlos.”[28]

Erst sobald der Mensch krank oder alt wird, versteht er seine Schwäche und seine Unzulänglichkeit. Und erst dann hört er auf, auf seine Mitmenschen herabzusehen, fängt an sie zu respektieren. Gegenüber denen, die ihm helfen und ihn besuchen verspürt er dieses mitmenschliche, zuneigende Gefühl der Anerkennung. Das Mitgefühl, das Mitleid für andere Menschen, die Anteilnahme, das Mitempfinden des vom Unglück Betroffenen sind Eigenschaften der islamischen Sozialethik. Durch Vergleich mit sich selbst und seinem Gewissen kann der Mensch nachempfinden, Empathie erzeugen und volles Mitgefühl und Anteilnahme für andere aufbringen. Folglich solidarisiert er sich mit den Kranken und Pflegebedürftigen.

 

3.3. (Altersbedingte) Krankheit und Pflegebedürftigkeit sind eine Chance sich selbst und den Schöpfer wiederzuerkennen

Wenn altersbedingte Pflegebedürftigkeit nicht wäre, würde Gesundheit und Wohlbefinden Unachtsamkeit hervorrufen, die die Welt angenehm erscheinen lässt und das Jenseits verdrängt, eine Achtlosigkeit, die an Grab und Tod nicht erinnert werden will. Aber die altersbedingte Pflegebedürftigkeit weckt ihn plötzlich und sagt seinem Wesen und seinem Körper: „Du bist nicht unsterblich, du bist nicht von allem losgelöst, du bist abhängig und du hast eine jenseitige Verpflichtung. Lass die Eitelkeit. Denk an deinen Schöpfer. Denke, dass du ins Grab gehen wirst, und bereite dich entsprechend vor." Aus dieser Hinsicht trügt die Krankheit und die altersbedingte Abhängigkeit nicht. Sie ist ein guter Ratgeber, ein Warner. Deshalb sollte man sich nicht beschweren, vielleicht aus der Hinsicht dankbar sein. Und wenn es einem zu schwer wird, sollte man um Geduld bitten.[29]

Das Eigentum des Körpers eines Menschen gehört nach Islam allein dem Schöpfer. Der eigentliche Besitzer kann über sein Eigentum nach seinem Willen verfügen. Altersbedingte Krankheit sowie Pflegebedürftigkeit sind somit göttliche Gesetze, die unausweichlich sind.

Sowie der Mensch in seinem Hunger den Namen des Versorgers kennenlernt, lernt er auch in seiner Krankheit und Pflegebedürftigkeit andere Namen (z.B. “der Heilende”, “der Barmherzige”) des Schöpfers. In den Auswirkungen der Pflegebedürftigkeitsnöte erscheinen die spezifischen Namen des Schöpfers, die zur Schönheit des Urgrunds hinführen. Wenn die materiellen Schleier wegfallen würden, könnte man hinter der Krankheit und Pflegebedürftigkeit, die man ja so fürchtet und verabscheut, einen erfreulichen Sinn finden.

 

3.4. (Altersbedingte) Krankheit und Pflegebedürftigkeit sind eine Chance nach dem Tode den Segen Gottes zu Gewinnen

Der Grund warum eine chronische Krankheit und Pflegeabhängigkeit vielfach Angst und Entsetzen bei den älteren Menschen auslöst ist, dass diese Umstände an den Tod erinnert. Weil der Tod vor dem Auge der Unwissenheit und dem äußeren Schein nach schrecklich ist, rufen die Krankheiten, Panik hervor. Es sollte allen Menschen deutlich gemacht werden, dass der Tod bestimmt und unverrückbar ist. Der Tod ist, anders als es den Anschein hat, nichts schreckliches. Für den Gläubigen ist der Tod Entlassung von seinen Lebensaufgaben, das Ende seiner Dienste auf dieser Prüfungswelt und die Entbindung von seinen schweren Pflichten. Es ist für ihn die Gelegenheit sich mit vielen seiner Verwandten und Freunde, die schon im Jenseits sind, zu treffen. Es ist die Einladung aus diesem weltlichen Kerker in den Garten Eden, eine Unterbrechung um vom großzügigen Gott seinen Lohn zu erhalten. Da das Wesen des Todes so ist, sollte man dem nicht mit Entsetzen begegnen, sondern ihn als den Beginn von Glück und Barmherzigkeit betrachten. Für den Irregehenden jedoch ist der Tod ein Abgrund zur ewigen Pein.

 

3.5. (Altersbedingte) Krankheit und Pflegebedürftigkeit sind für das Pflegepersonal (Pflegende Familienangehörige) eine Chance fromme Tat zu verrichten

Die Krankheit und die damit gebundene Pflegebedürftigkeit lässt immer dem pflegebedürftigen alten Menschen sowie denen, die ihn pflegen, guten Lohn zukommen und ist das beste Medium zur Erhörung des sozialen Gebets. Für die Gläubigen, die sich um die pflegebedürftigen alten Menschen kümmern, gibt es einen besonderen Lohn, weil das sich Erkundigen über das Wohlbefinden der pflegebedürftigen Kranken, sie zu besuchen ohne den Kranken dabei zu belästigen, wichtige Sunna ist. [30] Desgleichen besagt ein anderer Hadith

„Um die Fürbitte der (pflegebedürftigen) Kranken sollte man sich bemühen, denn ihre Gebete werden erhört.“ [31]:

Wenn der Kranke ein Elternteil ist oder zu den Verwandten zählt, ist ihn zu pflegen ein gewichtiges Sozialgebet und eine große spirituelle Wohltat. Die empfindlichen Herzen der alten pflegebedürftigen Menschen zu gewinnen stellt gemäß islamischen Glaubens eine große spirituelle Spende dar. Die Barmherzigkeit der Eltern ist im menschlichen Zusammenleben eine lobenswerte Tatsache. Sie von den Kindern erwidert zu bekommen mit ebensolchem Respekt und Zuwendung in Zeiten deren Krankheit ist auch eine Sache, die die Größe der Menschlichkeit zeigt, ein dankbares Verhalten, ein Bild der Treue, das auch die Engel bewundernd anerkennen. Den Schmerz und das Leid älterer Menschen zu lindern und durch Mitleid und Mitgefühl sie zu erfreuen, ist eine Wohltat, die vom Gott erwünscht wird.

Durch die spirituelle (göttliche) Erkenntnis des Geheimnisses der Krankheit und Pflegebedürftigkeit, gewinnt der Pflegedienst an Aufrichtigkeit und ist dem Gebet gleichbedeutend. Besonders durch diese Schwäche, Bedürftigkeit, Unzulänglichkeit kommt die spirituelle Einstellung und das Gebet der Erhörung nahe bzw. es ist wahrscheinlich, dass es erhört wird. Da die Krankheit und Pflegebedürftigkeit Quelle solch einer spirituellen Entwicklung und somit des Gebetes ist, sollten alle Gläubigen, die Kranken, die alten pflegebedürftigen Menschen und ihre Pfleger die soziale Form des Gebets nutzen.

 

Schlusswort

Ältere Menschen sind ein anvertrautes Gut, dass von Allah in die Hände der Gesellschaft (Familienangehörigen i.e.S.) gegeben ist. Wenn die Gesellschaft (pflegenden Familienangehörigen) ihre soziale Aufgaben gegenüber älteren Menschen zufriedenstellend und behutsam erfüllt, dann erhalten sie von Allah die Belohnung für ihre gute Tat im Jenseits.

 

SONNOTLAR

[1] Referat zur Veranstaltung “Verschiedene Aspekte der religions- und kultursensiblen Altenhilfe”; Veranstalter: Kommunale Ausländervertretung der Stadt Frankfurt und Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e.V.; 24.04.2010; Frankfurt am Main; Deutschland.

[2] Lehrbeauftragter an der Universität Sakarya, Türkei. Wissensgebiet: Sozialpolitik; Soziale Sicherheit; Behinderten-und Altenpolitik; Soziale und Spirituelle Pflege.

[3] Koran: Nr. 90; Sure: Beled; Vers: 4

[4] Koran: Nr. 22; Sure Hacc; Vers: 5.

[5] Koran: Nr. 16; Sure: Nahl; Vers: 70.

[6] Koran: Nr. 30; Sure. Nahl; Vers: 54.

[7] Koran: Nr. 36; Sure: Yasin; Vers: 68.

[8] Koran; Nr. 2; Sure Bakara; Vers: 96.

[9] Hadis: Buhâri, Rikâk 5; Müslim, Zekat 115; Tirmizi, Zühd 28.

[10] Koran; Nr: 24; Sure: Nûr; Vers: 61; Sowie: 48 Fetih 17.

[11] Buhârî, Taksîr, 19; Ebû Dâvûd, Salât, 175; Tirmizî, Salât, 274; İbn Mâce, İkâme, 139.

[12] Ebû Davud, Sıyâm, 3.

[13] Koran; Nr. 17; Sure İsrâ; Vers:  23-24.

[14] Koran; Nr. 31; Sure Lokman; Vers: 14-15.

[15] Koran; Nr. 14; Sure: İbrahim; Vers. 41. Aehnliche Verse im Koran wie z.B. Nr. 27 Neml 19; Nr. 46 Ahkâf 15; Nr. 71 Nûh 28.

[16] Ebû Dâvûd, Süleyman b. El-Eş’as es-Sicistânî, Sünen-i Ebî Dâvûd,  Tıb, 1, Çağrı Yay., İst., 1981; Tirmizî, Ebû İsâ Muhammed b. İsâ, Sünenü’t-Tirmizî, Tıb, 2, thk., A. M. Şakir-M. F. Abdülbâki-İ. A. Avad, Kahire, 1938; İbn Mâce, Ebû Abdillah el-Kazvînî, Sünen,  Tıb, 1, thk., M.F.Abdülbaki, Dâru’l-Fikr, trs.;  Ahmed b. Hanbel, Müsned, Çağrı Yay., İst., 1982, III, 156.

[17] Aişe A. Bint Şâti, Rasulullahın Annesi ve Hanımları, (Çeviren: İsmail Kaya), Konya,1987,I,165 (İbn Abdilberr,el-İstiab,III,1413).

[18] M.Akif Klavuz, M. Akif; Yaşlanma Dönemi Din Eğitimi, Arasta Yay., Bursa, 2003, s. 11.

[19] Tirmizi, Birr 15; Ebû Dâvûd, Edeb 58; Ahmed, I,257; Nevevi, Riyâzü’s-Sâlihin, I,387.

[20] Tirmizi, Cihad 24; Ebû Dâvûd, Cihad 70; Ahmed, V, 198; Nevevi, Riyâzü’s-Sâlihin, I,314.

[21] Aclûni, Keşfü’l-Hafâ ,II, 230.

[22] Buhârî, Deavât, 38. Ayrıca bk. Müslim, Zikir, 73; Tirmizî, Deavât, 116.

[23] Tirmizî, Deavât, 106; Ahmed b. Hanbel, Müsned, I, 3.

[24] Zusammenfassung aus der Originalquelle: Bediuzzaman Said Nursi, Lem’a lar (Fassetten des Lichts), 25. und 26. Kapitel (Das Heil in der Krankheit und im Alter), Risale-i Nur Külliyatı; Sözler Yayınevi; İstanbul; 1995; ss. 214–278;

[25] Kamil Miras, Sahîh-i Buhârî Muhtasarı Tecrid-i Sarih Tercümesi ve Şerhi, XII, s. 65.

[26] Buharî, Merdâ: 1,2,13,16; Müslim, Birr: 45; Dârimî, Rikâk: 57; Müsned, 1:371, 441, 2:303, 335, 3:4, 18, 38, 48, 61, 81.

[27] El-Elbânî, Câmii's-sağîr, s. 256.

[28] Koran; Nr: 96; Sure: Alak; Vers: 6-7.

[29] Bediuzzaman Said Nursi, Lem’a lar (Fassetten des Lichts), 25. und 26. Kapitel (Das Heil in der Krankheit und im Alter), Risale-i Nur Külliyatı; 1996. 

[30] el-Münâvî, Feyzü'l-Kadîr, 2:45, no: 1285.

[31] İbni Mâce, Cenâiz: 1; Deylemî, Müsnedü'l-Firdevs, 1:280.

 

 

 

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